Liebes Ordnungsamt

An dieser Stelle möchte ich Dir einmal danke sagen. In diesen kalten Tagen, in denen die Leute noch gehetzter als sonst an Deinen Beamten vorbeihuschen und in denen die ersten Frostattacken die Finger Deiner Mitarbeiter nicht mehr allein vor Erregung, wieder ein 5-Euro-Parkticket ausstellen zu dürfen, zittern lassen, wird es auch Zeit für ein besinnliches Wort unter alten Bekannten.

Denn Du, liebes Ordnungsamt bist mir in den jungen Jahren Deines Bestehens sehr nahe gekommen. Es war, zugegeben, nicht unbedingt meine Initiative, die uns zueinander hat finden lassen. Nein, ich möchte fast behaupten, sie ging sehr singulär von Dir aus. Und dennoch, das Wissen, dass Du jederzeit in Gestalt eines Deiner hochintelligenten und ausgezeichnet geschulten Mitarbeiter um die Ecke biegen könntest, hat mir doch so oft den Tag versüßt, dass ich mir mittlerweile eine deutsche Großstadt, ja ein deutsches Leben, ohne Dich, liebes Ordnungsamt, gar nicht mehr vorstellen kann.

Nicht umsonst warst Du es, der mir in den letzten Jahren meine Unzulänglichkeiten vorgehalten hat, wenn es darum ging, mit meinen engsten Bekannten in Verbindung zu bleiben. Ich kann mir nicht ausmalen, was aus meinem Lieblingsbrieffreund, dem Polizeipräsidenten von Berlin, inzwischen geworden wäre, hättest Du nicht regelmäßig dafür gesorgt, dass unser reger Briefverkehr nicht zum Erliegen kommt. Die Mitarbeiter der Bußgeldstellen Berlins wären mit hoher Wahrscheinlichkeit in Scharen entlassen worden, wäre ich nicht letztenendes auch durch Dich, liebes Ordnungsamt, genötigt gewesen, sie mit recht vielen Widersprüchen zu beschäftigen, die sie bearbeiten mussten. Denn nicht immer, Hand aufs Herz liebes Ordnungsamt, sind die Strafzettel, die Deine hochsensiblen und sozial geschulten Mitarbeiter ausstellen, auch gerechtfertigt – ein ums andere Mal waren sie sogar relativ schwachsinnig. Aber ach, liebes Ordnungsamt, wer ist schon perfekt? Sind es nicht gerade unsere Fehler, die uns in den Augen unserer Mitmenschen menschlicher und wärmer strahlen lassen?

Wenn Du also fürderhin Deine großartigen und ausgezeichnet geschulten Mitarbeiter in den Straßen dieser unserer Groß- und Kleinstädte auf die Suche nach dem alltäglichen Verbrechen, ja ich möchte fast sagen, nach urbanem Terrorismus schickst, so möchte ich Dir mit auf den Weg geben, dass ich zumindest im Herzen bei Dir bin. Nach außen hin muss ich aus Gründen der sozialen Akzeptanz die Fassade der Verachtung und des Mißmuts aufrecht erhalten, aber sei versichert, liebes Ordnungsamt: Tief in mir ist die Botschaft; ist Deine Botschaft angekommen. Du, die deutscheste aller denkbaren Einrichtungen dieses Landes.

Ich danke Dir!

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