Trauen

Nachdem sie nun seit ein paar Tagen da oben wertvollen Werbeplatz verbraucht, wird es wohl mal Zeit, ein paar Zeilen über die kleine orange Ecke zu verlieren, die so viele Webseiten derzeit schmückt. Warum gibt es sie hier? Oder anders gefragt: Staat? Was ist das eigentlich? Grob gesagt, kann man wohl unstrittig festhalten, dass ein Staat, unabhängig von seiner Organsiationsform, existiert, um das Zusammenleben einer Anzahl von Menschen zu organisieren, die rein zahlenmäßig nicht mehr alle in eine Höhle passen. Und genau da beginnt das Problem.

Jeder wird wohl in seinem Leben schon einmal festgestellt haben, dass Menschen gemeinhin zwar ganz nett anzuschauen sind und auch durchaus gesellige Begleiter für Anlässe wie Opernbesuche oder Vernissagen sein mögen, jedoch im Großen und Ganzen untauglich sind, in größeren Gruppen eine streitfreie Existenz aufzubauen. Der Nahost-Konflikt und die mittlerweile drölfste Staffel BigBrother sind realexistente Beweise dieser Theorie. Um miteinander klarzukommen, brauchen wir also ein ideelles Gebilde, dessen Regeln und Grenzen sich alle diejenigen, die darin leben möchten, unterzuordnen haben. Damit nun dieses Gebilde nicht zusammenbricht, brauchen wir Stützen. Um im Bild zu bleiben, gab es eine lange Zeit nur eine Stütze dieses Staatengebildes ("L’etat, c’est moi"), was sich nicht allzusehr bewährt hat. In den allermeisten Gesellschaften entwickelten sich folgerichtig Stützen, die auf mehreren Schultern gebaut waren. Je nach Grundidee und Ausprägung der Stützenbauer wurden also die heute existenten Ausprägungen von Demokratie und Kommunismus entwickelt.

Und das ist so ziemlich der Stand, an dem wir heute sind – niemand hatte bisher eine bessere Idee (und die Lobby sie durchzusetzen) und daher empfinden wir diese beiden Staatsformen als DAS Ding schlechthin. Zugegeben, der Kommunismus hat seine Aufenthaltsgenehmigung in unseren Breitengraden etwas überreizt, aber das drücken wir mal in den Skat. Nach dieser unglaublich laienhaften Beschreibung der Staatsbildung und den Gegebenheiten unserer "modernen" Gesellschaft, fragt sich der geneigte Leser nun völlig zurecht, was das mit der kleinen orangen Ecke da oben und, vor allem, der Überschrift zu tun hat.

Schaut man sich die ersten zehn Artikel des Werkes an, das zu großen Teilen unser Zusammenleben hier in Deutschland regeln soll, so fragt man sich, wie weit wir eigentlich seit der Höhle, in die wir nicht mehr alle reingepasst haben, gekommen sind. Brauche ich wirklich eine dritte Gewalt, die mir vorschreibt, dass die Würde eines anderen Menschen unantastbar sein soll? Oder, dass ich nicht morden darf, um mal ein etwas älteres Grundgesetz zu zitieren? In meinem persönlichen Verständnis einer modernen Gesellschaft sollte dies Voraussetzung und Grundannahme sein und kein Gesetz, gegen dass man verstoßen kann.

Also wieder zurück – wir sind immer noch die verängstigten Höhlenbewohner, die Steintafeln benötigen, die uns sagen, wie das hier alles zu funktionieren hat. Letzten Endes sind es doch eigentlich nur drei Fragen, die für jeden einzelnen Teilnehmer einer wie auch immer gearteten Gesellschaft wichtig sind: "Wem kann ich vertrauen?", "Wem muss ich misstrauen?" und "Wem kann ich was zutrauen?". Und leider wird die dritte und für mich mittlerweile fast wichtigste Frage heutzutage zumeist unter den gesellschaftlichen Flokati gekehrt.

Denn wenn wir mal ehrlich sind: Wem man vertrauen kann, dürfte für jeden einzelnen ziemlich klar sein. Das ist ein zumeist überschaubarer Personenkreis, der aus der Familie und ein paar nahen Freunden besteht. Der Rest der Weltbevölerung fällt zunächst in die Kategorie "Misstrauen" – Hallo: Ängstliche Höhlenbewohner!! Mögen diese beiden Personenkreise auch einem beständigen Fluß unterliegen, so ist die absolute Zahl der Mitglieder wahrscheinlich konstant. 

Wenden wir nun unsere mittlerweile müden Augen wieder zu der kleinen orangen Ecke da oben rechts, so ist es wohl relativ klar, dass diejenigen, die ihre Websites momentan mit diesen Ecken schmücken, das Konterfei des abgebildeten Herren und dem entsprechenden Rattenschwanz an Ministerium/Behörden/Exekutive, der mit an Dr. Wolfgang Schäuble hängt, eher in die Gruppe derer einsortieren würden, denen sie misstrauen. Ich würde dies zwar so unterschreiben, hänge jedoch in meinem Buch noch mindestens eine Seite dran.

Denn es ist nicht nur so, dass ich Schäuble (plus Rattenschwanz) misstraue, es ist vielmehr so, dass ich ihm/ihnen zutraue – und zwar zuviel. Wenn ich mir vorstelle mit welchen Machtbefugnissen dieser Herr gewisse Bereiche der Staatsgewalt ausstatten möchte und bereits ausgestattet hat, bin ich ziemlich sprachlos. Denn ich möchte nicht, dass mein Höhlennachbar, nur weil er zufällig als Kind Polizist werden wollte, legal nachschauen kann, was ich so auf meinem Steinzeit PC speichere. Denn es mag zwar eine gesetzliche Vorschrift geben, die besagt, dass er meinen Privatkram in Ruhe lassen soll, wenn er mit dem Bundestrojaner unterwegs ist, aber ich traue ihm eben zu, diese Vorschrift nur allzu gerne zu missachten, wenn er einen Verzeichnis "Bikinibilder Frau" entdeckt. Er ist ja auch nur ein Mensch. Und da ist der Knackpunkt, der für mich ganz persönlich die Grenze darstellt, ab wann ein Staatengebilde, hinsichtlich nur dieses Problemkreises (Hartz4, Rente, Bildung und alle anderen sozialen Probleme mal ausser Acht gelassen), anfängt zu bröckeln.

Wenn man als Bürger dem Staat ein gesundes Grundmisstrauen entgegenbringt, finde ich das in Ordnung. Das sorgt für Stabilität. Nur wenn man anfängt, dem Gebilde Staat und seinen Stützen zuzutrauen, dass sie nicht mehr im besten Sinne derjenigen agieren, die sie eigentlich beschützen sollten, dann wirds kritisch. Dazu gibt es Euch doch – Ihr sollt mir vermitteln, dass es sicher ist hier in meiner Höhle. Und mir nicht mit windigen Ausreden genau dieses Gefühl nehmen. Das machen andere. Es gibt genug Säbelzahntiger da draussen, da brauch ich nicht auch noch den einzigen Säbelzahntigerbekämpfer im Dorf, wie er über meine Schulter schaut, was ich da gerade über Säbelzahntiger auf digitale Steintafeln ritze. Geh sie fangen Deine Tiger, aber lass mich in Ruhe in meiner Höhle.

Und daher gibt es sie hier – diese kleine orange Ecke in meiner persönlichen Höhle. Ich weiß, sie bringt direkt nicht viel. Aber ich habe doch etwas zum Ausdruck gebracht, was sonst, wie in diesem Falle, ein ziemlich langer Text geworden wäre. Ich mach dann mal Feuer…

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