Das Wort zum Sonntag

Was haben wir nicht schon alles erreicht. Wir leben in einem Staatenbund, innerhalb dessen ein Krieg kaum vorstellbar wäre. Bedeutende Entwicklungen, wie die der Pille, haben einen riesigen Voschub zur sexuellen Selbstbestimmung der Frau und damit ihren Teil zur Gleichberechtigung beigetragen. Wenige zweifeln ernsthaft den Nutzen von Kondomen zur Empfängnisverhütung und Verhinderung der Übertragung von Geschlechtskrankheiten an. Alle streben wir nach eine goldenen Zukunft, in der Wohlstand und Gesundheit, Gleichberechtigung und Freiheit herrschen.
Alle?
Nein, nicht alle. Ein kleiner Staat im Herzen des ehemaligen Römischen Reichs widersetzt sich erfolgreich jedem Ansatz von Veränderung oder gesundem Menschenverstand. Hier gilt das Kondom noch als Teufelswerkzeug, das „das AIDS-Problem noch verschlimmert“. Abtreibung ist auch für Vergewaltigungsopfer tabu. Und der eine Mann an der Spitze kann seine Aussagen für unfehlbar erklären. Ein Hoch auf die guten alten allgemeingültigen Werte!
Nun begab es sich etwa zur Zeit der Gründung unseres jetzigen Staates, dass einige Bundesländer den Vorstoß wagten, die nächste Fessel der Ideologie – den verpflichtenden Religionsunterrich – zu lösen und die Kinder kommender Generationen so ideologiefrei zu bilden und zu erziehen, dass sie lernen mit ihrem eigenen Verstand zu arbeiten und freie Entscheidungen zu treffen. Der jüngste Erfolg dieser Bemühungen in unserer Hauptstadt bestand im Jahre 2006 in in der Einführung eines Faches, das den Schülern – auch in Bezug auf die Religionen dieser Welt – einen möglichst weiten Horizont aufzeigen sollte. Man nannte dieses Fach „Ethik“. Nun wurde dieses Fach offenbar vielerorts missverstanden. Ethik sei keine exakte Wissenschaft, wie die Mathematik, man könne nicht „die Ethik“ lehren. Richtig, doch wurde dies auch nie beabsichtigt. Statt eine bestimmte ethische Sicht zu lehren und zu vertreten, sollten die Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Sichtweisen der Menschen auf dieser Welt aufgezeigt werden. Klingt doch nach einer guten Idee. Das könnte ein großer Schritt in Richtung Toleranz und Integration werden, wenigstens für die künftigen Generationen.
Weit gefehlt, widersprach doch Bildung und Weltoffenheit schon immer den Grundsätzen des religiösen Fanatismus. So stehen wir nun kurz vor einem Volksentscheid, dessen Initiatoren uns weismachen wollen, dass wir unsere Kinder zwar systematisch nach Glauben trennen sollten, was in der Praxis in unserer Gesellschaft einer Trennung nach Ethnie gleichkommt, dass es aber gleichzeitig möglich sei, Toleranz zu lehren. A sagen und B machen, toller Plan.

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