Die Telekom kann das weil unsere Regierung versagt hat

Netzneutralität ist ein schwieriges Thema. Im Gegensatz zu den Protesten gegen Netzsperren und Vorratsdatenspeicherung, die zumindest in den letzten Jahren einige Erfolge aufweisen konnten, gelingt es bisher kaum, den durchschnittlichen deutschen Internetnutzer zu aktivieren, sich für Netzneutralität einzusetzen. Die wenigen bisher eingebrachten Petitionen beim Deutschen Bundestag kamen allesamt nicht über vierstellige Mitzeichnungen heraus. Ein Witz.

Der Hauptgrund liegt für mich hier klar in der grundsätzlichen Sperrigkeit des Themas und den unklaren Auswirkungen einer fehlenden Netzneutralität für die Allgemeinheit. Damit meine ich nicht, dass die Auswirkungen per se unklar wären; im Gegenteil sind sie klar abzusehen und effektiv seit Jahren zu erleben. Es versteht nur so gut wie Niemand, was es heisst, dass alle Bits im deutschen Internet gleichberechtigt durch alle Router laufen dürfen und was passiert, wenn das eines Tages nicht mehr so sein wird.

Ein netter Test, den ich zu diesem Zeitpunkt der Diskussion normalerweise aus der Tasche hole, ist das folgende Bild, welches von Nutzer quink vor ein paar Jahren auf reddit gepostet wurde.

netz_neutralitaet

Der Test besteht darin, dass mein Gegenüber nach dem Betrachten des Bildes erklären soll, wo hier das Problem liegt. Bei entsprechender Sensibilisierung in Sachen Netzneutralität wird das Problem schnell deutlich, fehlt diese blickt man schnell in leere Augen. Macht den Test ruhig mal in Eurem Umfeld und erklärt bei Unverständnis, warum diese Welt keine erstrebenswerte ist.

Nun sind gestern durch einen “Leak” beim Podcast Fanboys.fm Pläne der Deutschen Telekom bekannt geworden, in denen wohl von Seiten der Telekom darüber nachgedacht wird, das Erfolgsmodell der Drosselung aus dem Mobilfunkbereich in das Festnetz zu übertragen. Demnach könnten Kunden eines Entertain Vertrages mit 100 MBit/s ab einem verbrauchten Datenvolumen von 300GB auf Geschwindigkeiten gedrosselt werden, die der Telekom besser gefallen (die Rede ist von 384 kbit/s). Rechnet man das mal durch kommt man auf ca. 6 Stunden Traffic bei voller Leistung und anschließender Drosselung. Ein schlechter Witz für einen Vertrag, der mit mind. 70€ pro Monat zu Buche schlägt.

Ich halte die Pläne, trotz des furchtbar schlecht geschriebenen Dementis, das im Prinzip bestätigt, dass es solche Pläne gibt, sie momentan nur noch nicht umgesetzt werden, für realistisch und bin mir sicher, dass entsprechende Pläne bei allen Providern dieses Landes existieren. Die Telekom kriegt momentan ein wenig Gegenwind dafür und es bleibt abzuwarten, wie stark dieser wird. Ob dieser “Leak” evtl. absichtlich als Testballon veröffentlicht wurde, um zu testen wie bereit der Markt für ein solches Modell im Festnetz schon ist, mögen die üblichen Verschwörungstheoretiker beurteilen. Mir geht es um einen ganz anderen Anteilseigner an dieser Frechheit: Unsere Bundesregierung.

Es ist noch keine zwei Jahre her als die Reform des Telekommunikationsgesetz anstand, weil sich EU Richtlinien geändert hatten. Die TKG-Novelle war damals die erste wirkliche Chance den Lippenbekenntnissen zur Unterstützung des Internetstandorts Deutschlands endlich Taten folgen zu lassen. Wie das damals ausging, wissen wir alle noch. Durch die Stimmen der Regierungskoalition wurden damals entsprechende Anträge der Linken, der Grünen und sogar der SPD, ein Gebot der Netzneutralität in Gesetzform zu gießen, abgelehnt. Die Apologeten des freien Markts in der FDP und der CDU/CSU wollten nicht regulieren. Einer der Eckpfeiler der Informationsbeschaffung, wesentliche Vorraussetzung einer freien Gesellschaft, wurde den Kräften des freien Markts überlassen.

Eine der ersten Auswirkungen dieser Entscheidung gab es gestern als “Leak” von der Telekom zu lesen. Denn es ist schwerlich vorstellbar, dass die nur im Bundle zu beziehenden Anschlüsse der Telekom, die über das Vehikel VDSL nebenbei noch ihre Fernsehprodukte Entertain & Co. in den Markt drückt, wirklich komplett gedrosselt werden, sollte die magische 300GB Grenze einmal überschritten werden. Oh sicherlich, die Downloads werden langsamer werden, evtl. sogar das Browsen im WWW, aber es glaubt doch niemand ernsthaft, dass die Fernsehversorgung ebenfalls gedrosselt würde, oder? Für eine effektive Filterung und Unterscheidung, was denn nun gedrosselt wird, sind wir ziemlich schnell wieder im Bereich Deep Packet Inspection und all seinen hässlichen Brüdern und Schwestern. Dabei sollte es meinen Provider nichts angehen, was ich mit den Bits, die er mir zur Verfügung stellt, anfange. Ich möchte Netz und um den Rest kümmere ich mich selber.

Telekom & Co. sehen nun, unreguliert und ohne Probleme, Geschäftsmodelle, die allesamt zum Nachteil des Kunden sind und nutzen diese. Weil sie es können. Das sieht man am Mobilfunkmarkt, wo der Kampf um Netzneutralität längst verloren ist. Und nun ist es wohl so, dass auch im Festnetz der freie Markt Realitäten schafft, während die einzige Entität, die etwas dagegen tun könnte auf ihren Händen sitzt und immer noch die Kräfte beschwört, die das alles schon irgendwie zum Wohle aller regeln werden. Es ist ja nicht so, dass es nicht anders ginge… allein der Wille ist nicht da.