Heisse Öfen

Ein von mir geschätzter langjähriger Freund prägte kurz nach seiner Führerscheinprüfung, die er damals lebensmüderweise schlauerweise mutigerweise sowohl für Autos als auch Motorräder ablegte, einen Satz, an den ich mich heute noch gut erinnere:

” Wenn man jung ist, hat man Zeit aber kein Geld, um ordentlich Motorrad zu fahren und wenn man älter ist, hat man das Geld, aber keine Zeit.”

Seitdem denke ich immer mal wieder über diesen Satz nach und finde durchaus immer wieder Beispiele, abseits von Motorrädern, auf die er ebenfalls zutrifft.

Symbolbild

Neben der Lust am Fahrtwind in den Haaren, steigert sich mit den Jahren (zumindest bei mir) ebenfalls die Lust an völlig unnötigen technischen Geräten, die einem vorgaukeln, sie würden das Leben effizienter gestalten. Momentan sind das bei mir zwar nur mein kleiner Palm TX und mein Handy, dieser Umstand ist aber lediglich auf meine dauerhaft knappe Finanzlage zurückzuführen (Merke: Man ist nie zu alt um Geldsorgen zu haben!). Wenn ich könnte wie ich wollte, würde ich mittlerweile wohl mindestens einen Blackberry, einen iPod (die Männervariante: 80GB schwarz!) und eine Digitalkamera mein eigen nennen. Für Leute ohne Motorradführerschein wie mich sind das wohl die Symbole einer gewissen Freiheit. Die komplette Musiksammlung unterwegs hören können während man in der S-Bahn kurz das eMail Postfach überprüft und gleichzeitig die kleine Blonde gegenüber fotografiert – kann das Leben schöner sein?

Was man natürlich nicht bedenkt ist, dass all diese kleinen Helferlein einem eigentlich genau die Zeit stehlen, die sie einem vorgaukeln sparen zu können. Wenn ich mir vorstelle, wie unentschlossen ich manchmal bin, dann möchte ich gar nicht daran denken, wieviel Zeit es in Anspruch nehmen würde, durch 80GB Musik zu scrollen, um etwas zu finden, was ich jetzt hören möchte… Vielleicht doch lieber einen iPod Shuffle (quasi der Simson Roller unter den MP3-Feueröfen), der mir diese Entscheidung abnimmt? Dann hätte ich aber einen gehörigen Teil des Freiheitsgefühls aufgegeben, dass ich durch den Erwerb eines Gerätes erlangt habe, auf dem ich aus meiner kompletten Musiksammlung wählen kann.

Bei dem Gedanken mittels Blackberry auch noch in der S-Bahn von unmoralischen Angeboten belästigt zu werden, zaubert mir genauso viel Abneigung in die Magenhöhle wie gewisse Youth Hostels in England. Und ich möchte auch gar nicht daran denken, welchen Synchronisationsaufwand ich mit noch einem Gerät mehr hätte, das Kontaktdaten verwaltet.

Woher kommt also dieser Drang sich auf die Flitzer der Datenautobahn (dass ich diese Metapher mal ungestraft anwenden darf…) zu setzen, obwohl man doch schon in jungen Jahren wusste, dass es völlig unsinnig ist, weil einem entweder die Zeit oder das Geld fehlt, es wirklich zu genießen? Ist das der Jagdinstinkt, der einem vorgaukelt, wenn man nur schneller und effizienter ist, dann kriegt man die größere Beute (wobei wir wieder bei der kleinen Blonden in der S-Bahn wären)?

Ich weiss es nicht, aber falls es jemand herausfindet, der soll sich bitte hier melden. Und während des restlichen Nachmittags beweisen wir dann schnell noch, dass Gott doch existiert – oder nicht, je nach Gusto.

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