Kopf PA

Sonntagabend in Berlin; regennasse Strassen. Ein leichter Schmierfilm legt sich auf meine Windschutzscheibe.

Diese halbe Stunde gehört mir. Ich bin auf dem Weg nach Hause, fahre durch die dunkle Stadt – außer mir nur noch ein paar einsame Seelen auf der Stadtautobahn. Ich liebe diese Zeit: Laute Musik nur für mich, die Welt ausgesperrt, alles ist weit weg. Nur ich und meine Gedanken.

Mit der Zeit blende ich die Bewegungen und Reflexe des Fahrens aus. Ich verbanne die Motorik, die ich zum Lenken des Autos brauche, in die hintersten Winkel meines Bewußtsein. Meine Gedanken sind längst woanders.

Während die Bässe meinen Rückspiegel vibrieren lassen, findet meine Phantasie den Kontakt zur Musik. Es ist eine Platte, die mir ein Freund gerade empfohlen hat und sie will erkundet werden. Mein Kopf dreht sich um jeden Ton und langsam drifte ich ab.

Der Drang die Erfahrung der für mich neuen Musik zu teilen, lässt vor meinen Augen eine Bühne wachsen, auf der die Band jedes Stück, welches ich höre, für tausende namenloser Leute spielt. Mein eigenes Konzert.

Doch mein Kopf will mehr. Ich möchte all diesen Leuten meine Bilder, meine Assoziationen mitteilen. In Gedanken entsteht eine Bühnenshow, die ich orchestriere.

Jeden Ton, jede angeschlagene Saite nimmt mein Ohr auseinander. Ich plane die Effekte, weiß wann welches Licht an, welches Instrument wie laut sein soll. Ich liefere die perfekte Show – die Band wird fast zur Nebensache. Nur die Musik ist wichtig und sie lässt meine visuellen Eindrücke leben.

Als ich zu Hause bin, habe ich in einer halben Stunde eine komplette Konzertnacht durchlebt. Ich erinnere mich klar an die Show, an die Lichteffekte – ich habe Assoziationen erschaffen, die keinerlei Abbild in der Realität haben und doch für lange Zeit mit dieser Musik verknüpft sein werden. Ich weiß, an welchen Stellen die Halle dunkel war auf meinem Konzert und ich weiss auch, an welchen Stellen der Sänger schief zum Gitarristen schielte, weil der sich kurz verspielt hat.

Ich war da. Und es war wunderbar.

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