Stolz und Vorurteil

Es gibt ein Konzept, das mir nicht so recht in den Kopf, oder besser, ins Herz will. Es hat nicht in erster Linie etwas mit Erziehung oder im gröberen Kontext mit Sozialisierung zu tun.

Sicher, diese beiden isegrimmen Gevatter darf man nie außer Acht lassen und so ganz außen vor sind sie wohl nie, aber ich bin ja nun auch nicht mehr 13 und durchaus in der Lage mich zu großen gewissen Teilen selbst zu verstehen. Und aus diesem wohligen Gefühl der völligen Selbstüberschätzung kann ich rundheraus sagen, dass ich mich nie mit dem Gefühl von Stolz im Allgemeinen und Nationalstolz im Besonderen anfreunden konnte.

Gewiss, auf vollendete Projekte und Leistungen, die ich hier und da entlang des Weges vollbracht habe, bin ich stolz – mehr oder weniger zurecht. Aber eben da liegt auch schon das Ende meines Fassungsvermögens. Aus meiner Sicht rechtfertigt sich Stolz in erster Linie durch eine vollbrachte Leistung oder ein erreichtes Ziel.

Ich war während der WM 2006 froh und habe mich gefreut über die tolle Stimmung in der Stadt. Aber stolz? Stolz war ich nicht. Ich habe es jedem gegönnt, der mir in dieser Zeit nahe brachte, dass er oder sie nun auch endlich mal ohne Furcht vor der braunen Ecke stolz sein durfte, deutsch zu sein. Ich war es nicht. Ich kann es auch nicht.

Das hat nichts damit zu tun, dass ich Deutschland nicht schätzen kann. Ich finde es toll in Deutschland zu leben, weil ich trotz all der Umstände (siehe Knickecke rechts oben) immer noch finde, dass es sich grundsätzlich lohnt, in diesem Land zu leben. Ich liebe meine Stadt und ich liebe all die Leute, die ich in mein Leben integriere und die ich Freunde und Familie nennen darf.

Aber Stolz?

Die Umstände, die dazu führten, dass ich in Deutschland geboren wurde, lagen komplett außerhalb meiner Einflußnahme – geht wohl jedem so. Ich hätte auch genauso gut mit einer schwarzen Baskenmütze durch die Provence stolpern können und würde heute evtl. Jacques heißen (Freunde dürften mich dann "Jacqi" nennen – aber nur gute). Wäre ich dann stolz Franzose zu sein? Wahrscheinlich schon, denn wenn er eins ist der Franzose, dann ja wohl stolz auf seine Herkunft – oder? Der zweite Teil der Überschrift steht ja da nicht nur, weil das Buch so toll ist.

Ich denke, dass das Vorurteil, dass Menschen in anderen Ländern unverkrampfter mit dem Thema Nationalstolz umgehen, sich nur oberflächlich bestätigt findet. Denn ich hoffe, dass ich nicht alleine bin mit den Schwierigkeiten, mir selber zu erklären, was Stolz ist. So sehe ich zwar Franzosen, Engländer und Amerikaner ihre Flagge unverkrampft und selbstbewußt schwenken, würde Ihnen jedoch nicht ohne weiteres abnehmen, dass das Gefühl dabei dem nahe kommt, was ich als Stolz bezeichnen würde – vermutlich eines meiner vielen Vorurteile.

Würde man mich fragen, würde ich Stolz als eine Art vorauseilenden Lobhunger bezeichnen. Man weiß, man hat etwas geschafft/geschaffen, dass anderen Respekt und Lob abnötigen wird und gönnt sich im voraus schonmal eine Prise von den zu erwartenden Emotionslorbeeren. Kann ich das mit dem Fakt verbinden, einer bestimmten Nation anzugehören? Meine Antwort: Nein.
Wie siehts bei Euch aus? Seid Ihr stolz darauf, dass Ihr in diesem Land geboren wurdet? Oder gehts Euch eher wie mir?

 

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