End of an era

Wie? Das war es? Das waren zehn Jahre? Ich schüttele ungläubig den Kopf; mehr zu mir selber. Neben mir schreien die Leute. Noch ein einziges Mal. Nur noch magische vier Minuten…

Ich habe sie vor gut zehn Jahren durch Frank kennengelernt. Frank kannte immer alle Bands gut fünf Monate vor allen anderen. Frank lebte dafür, Musik zu entdecken, die hier noch niemand kannte. Meist konnte man ihm am breiten Grinsen ansehen, dass er mal wieder eine Perle entdeckt hatte. Jeder Junge in der Schule hasste Frank für dieses Grinsen, jedes Mädchen liebte ihn für seine Mixtapes.

Auf einem dieser Mixtapes hörte ich sie dann zum ersten Mal. Zehn Jahre. Nicht zu fassen.
Es war die Art von Band, die erobert werden will. Keine Single in Deutschland auf dem Markt, keine Radiopräsenz – nicht die besten Vorzeichen. Und doch habe ich sie in mein Herz geschlossen. Damals. Dank Frank.

Wie ich jetzt hier zwischen dem ewig knutschenden Pärchen und dem introvertierten Fanboy stehe und diese Momente in meinem Kopf in den begeisterten Rufen der Leute untergehen, die nach noch einer Zugabe verlangen, wird mir bewusst, wie sehr ihre Musik meine letzten Jahre bestimmt hat. Küssen, tanzen, weinen – das komplette Spektrum habe ich zu ihrer Musik durchlebt.

Frank hat das Tape damals nie zurück bekommen, es liegt immer noch irgendwo in einer Kiste mit der Aufschrift “Früher” in meinem Schrank. Mittlerweile habe ich alle ihre Alben auf meinem iPod in “annähernd CD Qualität” – fein säuberlich selbst von den CDs ins MP3 Format übertragen. Bei ihnen darf das niemand anders für meine Ohren als ich selber. Ich erinnere mich noch genau wie ich beim Einstellen der 256 kbit für ihr vorletztes Album dachte, dass es langsam Zeit wäre aufzuhören. Das war vor zweieinhalb Jahren und ich war überglücklich als vor einem halben Jahr ihr neues Album rauskam. Ich kannte alle Texte innerhalb einer Woche und wollte weinen als bekannt wurde, dass mein “Wunsch” von damals mit diesem Album Wirklichkeit wurde. Ich habe mich fast zwei Monate gehasst, das damals gedacht zu haben.

Die Karte für heute abend war schnell gekauft. Die Halle ist klein, das Set war normal – nichts Besonderes.

Ein normales Konzert. Nur eben das letzte.

Um wieviel ärmer meine Welt morgen sein wird, weiß ich noch nicht. Jetzt, hier, in dieser Sekunde will ich das auch gar nicht wissen. Ich lächele das Pärchen neben mir an, singe den allerletzten Song mit dem Fanboy neben mir mit, der wohl das allererste Mal auf einem Konzert seine Arme nicht verschränkt und tatsächlich laut mitsingt – es ist mein Lieblingslied. Von ihrem dritten Album. Es ist großartig.

Und morgen ist soweit hin.

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