Das gefühlte NullNull – WM Tag 4

Der vierte WM Tag war nicht dienlich wenn es darum geht, die Faszination Fußball zu erklären. Zwar waren die Spiele auf dem Papier nett anzusehen aber leider blieb es durchweg bei diesem Eindruck. Irgendwie haben es alle drei Spiele an diesem Tag geschafft, mich zu enttäuschen.

Das Spiel, was ich fälschlicherweise in meinem Kopf seit Wochen als Beneluxderby abgeheftet habe, enttäuschte zunächst geopolitisch als ich erfuhr, dass Dänemark kein Teil der Beneluxstaaten ist – subtil dadurch angedeutet, dass in dem Wort Benelux kein „Dä“ vorkommt. Das Spiel der Nicht-Benelux-Dänen gegen die Benelux-Niederlande klang für mich nach der Konfrontation zweier alter europäischer Königshäuser, nach Traditionen, die aufeinandertreffen, nach aufopferungsvollem Kampf (Dänemark) gegen technische Überlegenheit (Niederlande) – kurz: Nach Fußballmagie.

Was dann auf dem Platz zustande kam, war eine durchaus überlegene niederländische Mannschaft, die nach dem Eigentor der Dänen geschickt ihre bis dato an den Tag gelegte Einstellung, Chancen im Minutentakt zu vergeben, ablegte und so etwas wie Siegeswillen entwickelten. Dänemark hingegen lies sämtlichen aufopferungsvollen Kampf, den ich ihnen vorher angedichtet habe, vermissen und ergab sich mehr oder weniger kampfunwillig in sein Schicksal. Das kam denn auch in Form von Kuijt, der in der 85. Minute den angesprochenen spärlich entwickelten Siegeswillen der Niederländer in das 2:0 manifestierte. Kein schönes Spiel, viel Mittelfeldgeplänkel und nicht mal das gute Mittelfeldgeplänkel, was man sich gerne anschaut. Wäre das Eigentor der Dänen nicht dazwischengekommen hätte dieses Spiel garantiert sein geplantes 0:0 gefunden.

In der Hoffnung etwas Spielfreude auf den Bildschirm zu zaubern, hatte der Fußballgott nach den kühlen Nordeuropäern die Partie Kamerun gegen Japan auf den Spielplan gesetzt. Kamerun – wer erinnert sich nicht mit Freude an diese mit Spielwitz und beneidenswertem Tempo ausgestattete Elf? In der Afrikameisterschaft immer ganz vorne mit dabei, international immer nur unglücklich gescheitert – ich versprach mir viel. Dazu Japan. (Zugegeben weiß ich über den asiatischen Fußball in etwa soviel wie über den europäischen, was nicht viel ist, nur fällt es mir da noch schwerer wenigstens so zu tun.)

Die 90 Minuten plus insgesamt sechs Minuten WSN (WM-Standard-Nachspielzeit: zweimal drei Minuten), die dann stattfanden waren einer WM unwürdig. Der Fußball, der von den beiden Teams geboten wurde, wirkte wie mein Abiball als alle frisch absolvierten Ex-Schüler ihr, in den Wochen zuvor mühevoll gelerntes, Standardtanzwissen unter den Augen aller Eltern vorführen mussten. Tapsig, unsicher und wenn mal einer was traf, dann eher zufällig. So fiel dann zwar ein Tor für Japan, aber so richtig wußte niemand ob das auch so gewollt war oder eher zufällig die richtigen Schritte ausgeführt wurden. Auch hier wäre 0:0 das gerechtere Ergebnis gewesen, wobei beide Mannschaften eigentlich eher sofort vom noch laufenden Wettbewerb ausgeschlossen werden müssten – wegen Vergewaltigung des Begriffs „Fußball“.

Zu meinem großen Leidwesen hatte dann wieder RTL die Übertragung des Spiels Italien gegen Paraguay gekauft. Dass ich vom RTL Sportteam in etwa so viel halte wie von Christiano Ronaldo, erwähnte ich ja schon und die Paarung König/Klinsmann bewies auch bei diesem Spiel, dass 90 Minuten Fußball zu moderieren keine leichte Aufgabe ist – nett ausgedrückt.

Die Italiener stehen ja in Fußballdeutschland unter ständigem Betrugsverdacht und sind mithin eher unbeliebt. Ihr Fußball gilt als verschlagen, dreckig und sie sind stets verdächtig, sich durchs Turnier zu wurschteln ohne richtig gut zu spielen. Diese Meinung muß man nicht teilen. Man könnte auch sagen die italienische Mannschaft besteht aus abgeklärten Spielern, die es verstehen, jedes gegnerische System kaputt zu machen und clever auf Fehler der jeweils anderen Mannschaft zu warten, um aus diesen Fehlern ein bis zwei eigene Tore zu machen. Mir ist Italien wie so viele andere Mannschaften auch leidlich egal und ich kann beiden Sichtweisen je nach Stimmung und Gegner etwas abgewinnen.

Paraguay ging nach einem Freistoß durch ein ansehnliches Kopfballtor 1:0 in Führung. Dass sie dabei ausgerechnet in bester italienischer Manier aus null Chancen ein Tor machten, wird diejenigen, die Italien im Fußball zum Teufel wünschen, gefreut haben. Dass Italien in der 63. Minute ein typisch italienisches Tor zum 1:1 Ausgleich schoss als de Rossi einen Torwartfehler nach einer Ecke ausnutzte, wird diejenigen, die Italien im Fußball zum Teufel wünschen, geärgert haben.

Mir war es egal. Ich war zu diesem Zeitpunkt so gelangweilt wie schon lange nicht mehr bei einer WM. Die beiden Tore im letzten Spiel bringen beiden Mannschaften nichts, die Art wie beide Tore fielen war für den jeweils Anderen ärgerlich und beide Teams brachten nach dem Ausgleich trotz gleichwertiger Bemühungen nichts mehr zustande. Manchmal kann Ausgeglichenheit im Fußball furchtbar sein. Ein gefühltes 0:0.

Hoffen wir zusammen, dass wenigstens Brasilien noch Tore schießen kann, denn obwohl ich deren Art, Fußball zu spielen, nicht leiden kann (siehe Argentinien und Christiano Ronaldo), erhoffe ich mir wenigstens das eine oder andere überzeugende Tor.

Bis dahin.

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