Ottmar gegen alle – WM Tag 6

Ein Spiel wie Honduras gegen Chile wäre für die meisten Deutschen unter Nicht-WM-Umständen wohl so interessant wie das Training der zweiten Frauenmannschaft des VfL Plauen. Was schade ist, denn ich bin mir sicher, dass die zweite Frauenmannschaft des VfL Plauen guten Fußball spielt. Und auch Honduras gegen Chile war nicht so schlecht wie man vorher gedacht hätte.

Sicherlich: Torchancen waren rar, Strafraumszenen selten und der Aufbau einiger Spielzüge besonders von Honduras lösten keine Begeisterungsstürme aus. Dabei übersieht man jedoch, dass gerade Chile in diesem Spiel äußerst clever zu Werke ging. Aus einer (Achtung Fußballfloskel) kompakten Hintermannschaft spielten sie schnell und klug nach vorne, setzten zumindest im Mittelfeld immer nach und sorgten so für nett anzusehenden Fußball.

In der 34. Minute wurde das belohnt und Honduras mußte das einzige Tor der Partie gegen sich verkraften. Wie gestern Nordkorea blieben sie nach dem Rückstand ihrem System treu, was allgemein aus einer 7-Mann Abwehrkette bestand und durch drei defensive Mittelfeldspielern und einem Torwart abgesichert wurde. Das ängstliche 7-2-1; seit jeher ein Klassiker des unkreativen Defensivfußballs. Chile verwaltete, verpasste das 2:0 ein ums andere Mal und ging nach 90 Minuten als gerechter, wenn auch glanzloser Sieger vom Platz.

Und dann kam Ottmar Hitzfeld. Als Nationaltrainer der Schweiz wartete der Europameister Spanien auf ihn. Noch während Reinhold Beckmann und Mehmet Scholl den Zuschauern der ARD erklärten, dass Spanien den Ball liebt, am liebsten gar nicht mehr hergeben will und auch ansonsten sehr ballverliebt spielt, gab wohl auf die Schweizer Elf niemand so wirklich etwas. Alexander Frei, der einzige Schweizer Nationalspieler, den man in Deutschland auch auf den Fanmeilen kennt, war nicht dabei und was bitte sollten Huggel, Ziegler und Barnetta denn gegen Sergio Ramos, Silva und Iniesta ausrichten?

Nun, sie richteten nicht nur aus, sie stellten sich sogar ein – und zwar auf das Spiel der Spanier. Und das sehr gut (nach dieser WM werde ich in der Formulierungshölle schmoren). Wie erwartet begannen die Spanier druckvoll und spielten das, was Reinhold Beckmann voraus gesagt hatte. Ballbesitz, abwarten und nach vorne auf die eigene Technik und die Fehler des Gegners vertrauen. Dumm nur, wenn der Gegner keine macht. Die Schweizer Abwehrreihen, Beckmann nennt das 4-2-2-1-1, standen vernünftig gestaffelt und hielten immer im richtigen Moment das richtige Bein vor den richtigen Spanier.

Taktisch perfekt ausgerichtet, zeigte die Schweiz die große Schwäche im Spiel der Spanier: Wenn man auf Fehler des Gegners wartet, muss man diese dann auch ausnutzen. Denn es ist ja nicht so, dass die Spanier gar keine Chancen hatten. Nur hatte auch Benaglio im Tor der Schweiz anscheinend einen glänzenden Tag und hielt Iniesta und Villa auf Trab. Nach der ersten Halbzeit ahnte man, dass es Spanien heute mindestens ebenso schwer haben wird wie ihr Nachbarland Portugal gestern.

Doch Fernandes, der 24jährige Mittelfeldspieler der Schweiz, hatte noch eine größere Überraschung für den Europameister vorbereitet. In der 52. Minute verknoteten sich im spanischen Strafraum zwei Abwehrspieler mit dem eigenen Torwart und Fernandes, dem der Ball vor die Füße fiel, sorgte mit seinem 1:0 für eine Art Schockzustand bei den Spaniern. Was dann folgte, beschrieb Mehmet Scholl nach dem Spiel mit den Worten „Es gibt Tage, da weisst Du, dass es heute nicht klappt.“. Je weiter die Uhr auf die magische 90 zustrebte desto mehr wurde die Ungeduld und die Panik in den spanischen Gesichtern deutlich. Doch auch die fantastische Nachspielzeit von fünf Minuten konnte nichts mehr daran ändern: Die WM 2010 hatte ihre erste kleine Sensation. Die Schweiz besiegt Spanien mit 1:0.

Natürlich kann das alles Zufall gewesen sein und die Schweizer können einen verdammt guten, die Spanier einen verdammt schlechten Tag erwischt habe – möglich. Was ich aber an taktischer Disziplin und Einstellung bei der Schweizer Elf gesehen habe, nötigt mir Respekt ab. Das hatte schon griechische Züge von 2004 – damals wurde Griechenland wider besseren Wissens Europameister weil sie es verstanden das Spiel sämtlicher „Großen“ zu zerstören und immer mind. ein Tor zu machen. Sollte Hitzfeld seine Schweizer ähnlich eingestellt haben und sollten diese es verstehen das System so auch durchzuhalten steht ihnen mindestens das Achtelfinale offen.

Am Abend spielte dann noch Südafrika gegen Uruguay (0:3) und wenn dieses Spiel eines offenbarte, dann dass die Mannschaften wohl begriffen haben, dass sie den zweiten Gruppenspieltag, der mit dieser Partie eröffnet wurde, nicht mehr so vorsichtig angehen dürfen. Gerade die vielen Unentschieden in den Partien bisher werden wohl dafür sorgen, dass wir in den kommenden Tagen offenere und offensivere Spiele sehen werden.

Das waren jetzt zwei Vorhersagen in einem Post – das kann ja eigentlich nur schief gehen. Auf einen Umstand würde ich jedoch wetten: Selbst wenn Südafrika nach der Niederlage heute gegen Uruguay vorzeitig ausscheiden sollte, werden die Vuvuzelas, auf die der Hass erstaunlicherweise immer noch wächst, nicht aus den Stadien verschwinden.

Reinhold Beckmann würde diesen Text jetzt mit den Worten beenden, dass es morgen für sowohl Frankreich als auch Mexiko im Spiel dieser beiden Nationen in der Gruppe A schon um alles geht. Und wer wäre ich denn, ihm da zu widersprechen?

Bis dahin also.

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