Adieu – WM Tag 7

Heute mussten wir uns gleich von drei Dingen bei dieser WM verabschieden: Der Torflaute, dem Umstand, dass Griechenland nie ein WM Spiel gewinnt und Frankreich. Nur eines dieser drei Dinge kam für mich überraschend. Doch der Reihe nach.

Das Mittagsangebot der FIFA fiel heute überraschend opulent aus, was die Torausbeute anging. Dabei ist es keineswegs so als wäre das Spiel irgendwie herausragend gewesen – ganz im Gegenteil. Südkorea verstand es ganz fantastisch, ehrfurchtsvoll in der Gegend rumzustehen wobei sie sich sichtlich bemühten sich grob in der Gegend ihrer argentinischen Gegenspieler aufzuhalten, diese aber nicht weiter zu belästigen.

Beeindruckt von so viel Höflichkeit versäumte es der klare Favorit Argentinien dann zunächst das eine oder andere Tor zu schießen, so dass Südkorea dies freundlicherweise übernahm. Das Eigentor in der 16. Minute unglücklich zu nennen wäre zu nett, es war schlicht dämlich. Argentinien sagte artig danke und nutzte in der 33. Minute eine weitere Unachtsamkeit in der Hintermannschaft Südkoreas zum 2:0, was diese mit einem freundlichen Lächeln quittierten.

Bei so viel Höflichkeit auf dem Platz wollte dann auch Demichelis nicht unfreundlich erscheinen und schenkte Chung-Yong Lee in der 46. Minute den Ball. Es hätte mich nicht gewundert wenn er dazu noch in Richtung Tor gedeutet und ihm aufmunternd auf den Rücken geklopft hätte: Das 2:1 mit dem Pausenpfiff. Für die zweite Hälfte hatten sich die Südkoreaner augenscheinlich vorgenommen, nicht mehr ganz so hart und offensiv zur Sache zu gehen wie noch in Hälfte eins. Auch die Manndeckung und das frühe Stören wurden nun gänzlich aus dem Spiel genommen und man beschränkte sich auf das ehrfurchtsvolle Anstaunen von Messi, Higuain und Tevez. Die nahmen die Einladung zum Trainungsspiel dankend an und erhöhten in der 76. und 80. Minute auf 4:1 wobei jeweils Higuain die gut herausgespielten Chancen verwerten durfte. Messi wartet damit aus medienrechtlichen Gründen bis zum Achtelfinale.

Mit fünf Toren in einem Spiel war die Messlatte für das zweite Spiel weit oben angesiedelt. Dabei spielten mit Griechenland und Nigeria zwei Mannschaften gegeneinander, die nicht gerade dafür bekannt sind, Torfestivals zu feiern. Alles, was das ZDF im Vorfeld des Spiels interessierte war demzufolge auch, ob nun Otto Rehhagel seinen Job als griechischer Nationaltrainer behält oder nicht. Ein Schicksalsspiel.

Griechenland begann, wie Griechenland solche Spiele eben beginnt: Bedächtig und zurückhaltend. Rehhagel hatte es tatsächlich geschafft seine Mannschaft nochmals defensiver einzustellen und wartete an der Seitenlinie ebenso gespannt wie seine Abwehrreihen, was denn da nun kommen möge von Nigeria. Die suchten von Anfang an das griechische Tor und in der 16. Minute flog ein langer Freistoß in eben jene Richtung und senkte sich hinter Tsorvaz in die Maschen während der zusammen mit seiner gesamten Hintermannschaft noch abwartete welcher Kopf denn nun noch an den Ball käme: 1:0 Nigeria. Alles sah nach einem Debakel für die Griechen aus. Mal wieder.

Doch Kaita verwechselte in der 33. Minute die Sportart, in der er bei dieser WM antrat und wurde für eine Tätlichkeit vom Platz gestellt. Nigeria nur noch zu zehnt und plötzlich sah man etwas, was so bei einer WM und eigentlich auch bei noch keiner EM zu sehen war: Offensivdrang im griechischen Spiel. Einfach so. Von alleine. Nun muss man fairerweise dazu sagen, dass Griechenland sich in 80 Jahren WM Geschichte der Neuzeit abgesehen von diesem Jahr nur ein einziges Mal für eine WM-Endrunde qualifizert hat und sie 1994 ohne ein einziges Tor in der Vorrunde ausschieden. Insofern schrieb Salpingidis in der 44. Minute griechische Fußballgeschichte als er das erste WM Tor seines Landes schoß. Und was für ein wichtiges Tor es war.

Nach der Pause, noch freudentrunken von ihrem Tor, spielten die Griechen tatsächlich so etwas wie Angriffsfußball was Nigeria mit erstauntem Abwarten konterte. Griechenland kam. Und kombinierte in den gegnerischen Strafraum als hätten sie nie etwas anderes getan. Allein bei der Chancenverwertung war es dann doch wieder die alte griechische Mannschaft, die sich eher ein Bein abhacken würde als in einem internationalen Wettbewerb ein Tor zu erzielen, das nicht aus einer Standardsituation entstanden ist. Doch wider besseren Wissens und allen Unkenrufen zum Trotz nutzte Torosidis in der 71. Minute einen Fehler von Enyeama im Tor der Nigerianer und erzielte das 2:1 für Griechenland – nicht nur der erste WM-Sieg der Griechen überhaupt sondern auch das erste gedrehte Spiel nach Rückstand in dieser WM. Nun müssen sie gegen Argentinien beweisen, dass dies nicht nur eine einmalige Aktion war – was schwer genug sein wird. Aber vielleicht bleibt Otto Rehhagel ja doch in Griechenland. Und vielleicht hat er heute in der zweiten Halbzeit gesehen, was ihm seinen Job sichern könnte. Offensive. Nur ab und zu, ok Otto?

Damit waren zwei der eingangs erwähnten drei Dinge gegessen. Es gab sieben Tore in zwei Spielen – Rekord für diese WM. Und Griechenland hatte gewonnen – Rekord für alle WMs bisher. Bleibt noch Frankreich.

Ach Frankreich.

Ich will Dich ja mögen. Wirklich, ich habe alles versucht. Ich halte Henry weiterhin für einen begnadeten Strafraumspieler – leider sieht das Dein Trainer anders. Dass Ribery durchaus guten Fußball spielen kann, hat man diese Saison bei den Bayern gesehen. Auch Toulalan, Abidal und Gallas – alles Ausnahmespieler, die jederzeit in jedem Club Europas für gutes Geld mit offenen Armen empfangen werden. Warum also fällt es dieser gut besetzten Mannschaft so schwer, auch nur annehmbaren Fußball zu spielen? Von “gut” redet ja schon keiner mehr.

Mexiko spielte in diesem Spiel alles, was man von Frankreich erwartet hatte. Schnell, sicher und clever von hinten durchs Mittelfeld. Vorne hapert es, aber sie haben halt keinen Henry. Den hatte aber auch Frankreich nicht, denn er durfte sich dieses Spiel von der Bank anschauen. Warum das so war weiß nur Domenech, dessen Abschied vom Trainerstuhl Frankreichs nach diesem Spiel wohl beschlossene Sache sein dürfte.

Dass die allererste Chance der Franzosen in der 54. Minute durch einen Fernschuss von Malouda auf dem Spielberichtsbogen steht, zeigt wie pomadig und uninspiriert diese französische Elf heute spielte. Folgerichtig erzielte Hernandez zehn Minuten später das 1:0 wobei die komplette französische Hintermannschaft vergeblich auf Abseits spielte. In der 79. Minute foulte Abidal im eigenen Strafraum Barrera und es gab Elfmeter für Mexiko: 2:0. Nun weiß man als Spieler, dass Protest gegen eine einmal ausgesprochene Entscheidung eines Schiedsrichters eigentlich unnütz ist. Gerade einen Elfmeterpfiff wird kein Schiedsrichter der Welt zurücknehmen, weil sich die Beschuldigten beschweren. Und doch sind Proteste gegen Elfmeterpfiffe fest eingeplanter Bestandteil jedes Fußballspiels, das ist man sich als Mannschaft einfach schuldig. Heute jedoch blieb jeglicher Protest der Franzosen aus – keiner rannte auf den Schiri zu und tat wenigstens so, als versuchte er ihn umzustimmen. In dieses Verhalten nun die Selbstaufgabe der Franzosen reinzuinterpretieren hieße, das Bewerbungsformular als ZDF Reporter auszufüllen, aber es passte einfach zum Spiel der Equipe Tricolore: Müde, uninspiriert und abwesend.

Mit dem Schlußpfiff stand fest: Frankreich hatte 2:0 verloren und fährt nach dem Spiel gegen Südafrika nach Hause. Wenn alles so kommt wie es jetzt aussieht, können sie dann zusammen mit den Südafrikanern die WM von der Seitenlinie aus weiterverfolgen. Nichts Neues also für Henry. Ich werde es nie verstehen.

Während ich mich hier noch darüber freue, dass diese WM endlich ein wenig Fahrt aufnimmt, schläft die deutsche Nationalmannschaft dem Spiel gegen Serbien morgen Mittag entgegen. Mit dem erwarteten Sieg können sie sich für das Achtelfinale qualifizieren und ein Entscheidungsspiel gegen Ghana vermeiden. Für mich wichtiger jedoch ist das Abendspiel, in dem England die Schmach des 1:1 gegen die USA vergessen machen möchte und gegen Algerien antritt, die ihrerseits nach der 0:1 Niederlage gegen Slowenien vor dem selben Schicksal wie Frankreich stehen.

Ich erwarte einen ähnlich munteren Tag wie heute – hoffentlich mit besserem Ausgang als für Frankreich heute.

Bis dahin.

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