Deutschland besiegt Deutschland – WM Tag 8 (Teil 1)

Während sich auf Facebook* noch die Wut der deutschen Fans gegenüber des Schiedsrichters entlädt kann man nur ahnen, was Jogi Löw gerade mit Podolski anstellt. Die Erwartungen waren hoch nach dem Spiel gegen Australien. Gerade weil alle bisher kriselnden Spieler im deutschen Sturm so überzeugend gespielt und ihre Tore gemacht haben.

Hochgejubelt, Titelaspirant und klarer Favorit – diese Rolle bekommt Deutschland im Jahr 4 nach Klinsmann immer noch nicht so recht. Entsprechend bescheiden startete Löw in dieses Spiel. Klose stand vorne relativ allein herum – unterstützt nur von Podolski, der seine Rolle als hängende Spitze ein wenig zu ernst nahm.

Wäre Özil ein Verlag, so würde er nach diesem Spiel wohl ein Leistungschutzrecht bei der Bundesregierung beantragen. So richtig wußte man nicht, was er eigentlich zum Spiel der Deutschen beitrug, aber man hatte immer das Gefühl er wäre wichtig. War er aber nicht.

Dass Klose in der 37. Minute mit Gelb-Rot vom Platz musste, war nicht der Knackpunkt heute im deutschen Spiel. Auch das 1:0 für Serbien nur eine Minute später war es nicht. Sowohl vor als auch nach der 37. Minute hatte Deutschland Chancen. Nicht viele zwar, aber sie waren da. Podolski vergab sie, Klose vergab sie. Dass in der Abwehr Badstuber seinen direkten Gegenspieler Krasic ein ums andere Mal ziehen ließ, fügte sich in das eher unglückliche Gesamtbild der deutschen Elf.

Völlig unverständlich für mich war die Entscheidung Löws nach der Halbzeit die fehlende Spitze nach der gelb-roten Karte gegen Klose nicht neu zu besetzen. Ohne Auswechslungen ging Deutschland in die zweite Halbzeit – für mich ein Fehler (wo ist mein „Bundestrainer“-Shirt?). Dass Deutschland nun agieren musste, wusste auch Serbien und sie stellten sich folgerichtig tiefer in den Raum und warteten auf Kontermöglichkeiten. Dabei ergaben sich für Schweinsteiger (55. Minute) und Podolski (58., 59. Minute) die Möglichkeiten zum Ausgleich, die allesamt ungenutzt verstrichen.

In der 60. Minute dann verhaltener Jubel auf den Fanmeilen der Nation. Nachdem Vidic im eigenen Strafraum seine Bewerbung als Torwart abgab und mit einem eindeutigen Handspiel Deutschland einen Elfmeter schenkte, war klar: Hier geht noch was. Nur hat das wohl keiner Podolski gesagt. Ein flach getretener Schuss auf halbrechts stellte für Stojkovic im Tor der Serben kein Problem dar.

Ich möchte an dieser Stelle, ohne besonderen Grund, noch einmal hervorheben, dass Lukas Podolski in der zurückliegenden Saison als Stürmer genau 2 (zwei!) Tore erzielte während z.B. Kevin Kuranyi derer 18 verzeichnet. Dass ein 3-Tore Stürmer wie Klose gleichzeitig den Anfangself-Vorzug gegenüber z.B. Cacau (13 Tore) bekommt, ist dann nur konsequent durch Löw.

In der 70. Minute hatte Löw ein Einsehen und entschloss sich, doch noch für so etwas wie Torgefahr zu sorgen. Marin und Cacau kamen für Özil und Müller. In der 77. Minute traute sich Löw sogar Gomez einzuwechseln, was wohl als Zeichen für die Verzweiflung zu diesem Zeitpunkt ausreichen sollte.

Serbien durfte auch noch zwei-, dreimal aufs deutsche Tor schießen, traf dabei Pfosten und Latte und sah insgesamt seit der 70. Minute so aus als wüssten sie, dass das heute klappt. Ebenso wirkten die deutschen Spieler so als wüssten sie, dass das heute schiefgeht. Podolski vergab in der 84. Minute noch eine gute Chance und hatte damit sein Tagewerk hinter sich.

Nun geht es gegen Ghana um alles. Kahn sagt, dass Ghana eine Wundertüte sei – man wüßte nie genau was man zu erwarten habe. Sollten die Deutschen gegen die Wundertüte Ghana so variabel spielen wie sie sich heute präsentierten, wird das eine eher kurze WM.

Ich muss jetzt erstmal England die Daumen drücken. Bis nachher zu Teil 2.

*Nachtrag: Facebook hat die „Fan“-Page des Schiris mittlerweile gelöscht – es gibt aber genug Gruppen mit ähnlichem Thema, die beweisen, dass es nicht immer klug ist, RTL Zuschauer in Social Networks zu lassen. Eine kleine Übersicht über die Originalseite findet sich bei Spreeblick.

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