Ich bin müde – Das WM Wochenende

Liebe WM, wir müssen reden.

Ich weiß, wir hatten vereinbart, dass ich Dich komplett anschaue und zu jedem Spiel ein paar mitteloriginelle Zeilen aus meinem nicht vorhandenen Fußballsachverstand quetsche. Der geschriebene Beckmann eben. Aber liebe WM, Teil dieses Deals war auch, dass Du gute Fußballspiele bietest. Denn sind wir mal ehrlich: Spiele wie Ghana gegen Australien oder Kamerun gegen Dänemark, in denen für mich so gar nichts auf dem Spiel steht (Dänemark ist eben nicht England) sind einfacher zu ertragen, wenn flotter, ideenreicher Fußball geboten wird.

Doch auch in den zurückliegenden zwei Tagen war die fußballerische Kost, die da über den Bildschirm flimmerte, eher mau. Dass ein Fußball, wie ihn zum Beispiel die Niederlande bisher boten, gegen Japan (1:0) zum vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale führte, empfindet mein Fußballgeschmacksnerv als grobe Beleidigung. Dass Du dann versuchst diesen Fauxpas mit einem staubtrockenen Pausensnack wie Australien gegen Ghana wieder auszugleichen, kann man Dir maximal als guten Willen durchgehen lassen. Das 1:1 dieser beiden Mannschaften war in etwa so interessant wie die Revision der Bebauungspläne des BBI zu studieren.

Und natürlich ist das einzige Spiel des Samstags, was ich vor lauter Frust nicht schaue, weil ich genug vom ewig gleichen Fußball habe, das Spiel der drei, welches ein bisschen Abwechslung bietet. Mal im Ernst liebe WM, das machst Du doch mit Absicht. Am Sonntag dann das gleiche Bild – das beste Spiel ist das Abendspiel, in dem Brasilien beweist, dass ihr neu gefundenes System sie zu einem ernstzunehmenden Titelaspiranten macht. Nur schön anzusehen war das alles nicht.

Der ewig gleiche Fußball im ewig gleichen System – nur marginal variiert. Wenn bei einer WM die spannendste Frage jedes Spiels die ist, ob der Trainer mit einer oder mit zwei Spitzen aus dem identisch aufgebauten Mittelfeld stürmen lässt, dann kommt nicht viel Spannung auf. Die Abwehrreihen sehen weltweit sowieso schon seit Jahren gleich aus. Das ist der moderne Fußball – taktisch, diszipliniert, zurückhaltend. Kurz: Furchtbar langweilig.

Und liebe WM, das macht auf Dauer keinen Spaß und mir gehen mittlerweile die Floskeln aus, mit denen ich beschreiben kann, dass Mannschaft X doch sehr tief gestaffelt stand und behäbig nach vorne spielte während ihr Gegner eher vorsichtig spielte und eine stabile Abwehr aufbot. Selbst die Brasilianer kann man nicht mehr aus vollem Herzen hassen, da sie ihren Angriffsfußball zugunsten einer geordneten Aufstellung aufgegeben haben.

Also liebe WM, ich habe mir das jetzt eine Woche lang angeschaut. Wenn sich das nicht bald ändert und mal das eine oder andere Feuerwerk abgefackelt wird, dann bin ich ernstlich verletzt.

Und dafür schreibe ich dann ab heute wieder täglich, ok?

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